Nord (Holland)
Beschreibung: Kasseler Stadtteile
Kategorie: Geschichte Kassels
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Der Stadtteil Kassel-Nord entstand während der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts als Industriestandort mit Arbeiterwohnquartieren. Für die steigende Zahl der Industriearbeiterinnen und -arbeiter, z.B. der Henschelwerke, entstanden in den folgenden Jahrzehnten Siedlungen, werkseigene Wohlfahrts- und Bildungseinrichtungen.
Die Bombardierung der Rüstungsstadt Kassel 1943 zerstörte neben der Altstadt auch einen großen Teil der Nordstadt. Der Wiederaufbau ab 1945 beschränkte sich im Stadtteil vor allem auf Gewerbe- und Industriebetriebe.
Da nur wenige neue Wohnsiedlungen entstanden, waren die Einwohnerzahlen des Stadtteils in den 50er- und 60er-Jahren rückläufig. Der wirtschaftsstrukturelle Wandel löste in den 60er-Jahren eine Welle von Betriebsschließungen und Desinvestitionen aus, innerstädtische Brachen waren die Folge.
Der Verkauf ehemaliger Werkswohnungen zog Spekulationen nach sich, und es entstanden soziale Brennpunkte. Die Nordstadt wurde zum Zuzugsgebiet von Migrantinnen und Migranten, sodass der Stadtteil heute absolut und relativ den höchsten Ausländeranteil Kassels aufweist. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen nahm entsprechend überproportional zu. Segregationsprozesse führten zu einem negativen Image des Stadtteils.
Die Bausubstanz des Quartiers stammt aus unterschiedlichen Entstehungszeiten.
Neben gründerzeitlicher Blockrandbebauung gibt es Sozialwohnungen und Siedlungen aus den 20er- und 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts sowie der Nachkriegszeit. Die Bausubstanz ist in weiten Teilen instandsetzungs- und sanierungsbedürftig. Die meist größeren ausländischen Familien wohnen häufig beengt in zu kleinen Wohnungen. Die mangelhafte Ausstattung mit Freiflächen und das Fehlen von Sport- und Spielplätzen verschärfen die Situation.
Zwar führte der Ausbau der Universität Kassel auf dem Gelände der ehemaligen Henschelwerke seit 1978 zu einer langsamen Stabilisierung des umliegenden Gebiets, ohne dass es zu den anfangs befürchteten Verdrängungsprozessen kam. Die neu entstandenen Kopier-, Computer-, Buch- und Lebensmittelläden, Cafés und Kneipen und der Zuzug von Studierenden belebten den Stadtteil.
Allerdings beschränkten sich die Entwicklungsimpulse kleinräumig auf den vorderen, südlichen Teil der Nordstadt und auf ein ausgewähltes Segment auf dem Arbeitsmarkt. Für die un- und angelernten Arbeiterinnen und Arbeiter der Nordstadt brachte die Ansiedlung der Universität hingegen kaum Arbeitsplätze.
Henschel Werke in der Nordstadt
Georg Christian Carl Henschel gründete 1810 die Henschel-Werke in Kassel. Sein Sohn Carl Anton Henschel errichtet 1837 ein zweites Werk am Holländischen Platz in Kassel, hier wird am 29. Juli 1848 die erste Lokomotive ausgeliefert.
Diese wird an die 1844 gegründeten Kurfürst-Friedrich-Wilhelms-Nordbahn geliefert, an der sich Henschel durch den Kauf von Aktien beteiligte.
Sehr schnell spezialisiert sich Henschel auf den Lokbau und kann durch die hohen Stückzahlen von der Einzelfertigung auf Serienfertigung mit firmenintern genormten Bauteilen übergehen. Das Werk in Kassel gehört Anfang dieses Jahrhunderts zu einem der größten Lokomotivwerken Deutschlands und wird 1920 in eine GmbH umgewandelt.
Mit der Wirtschaftskrise übernimmt Henschel 1928 die DRG-Lokomotivquoten von der R. Wolf AG (1,45 %), 1930 zusammen mit Krupp zu gleichen Teilen die Quoten von den Linke-Hofmann Werken (6,2 %) sowie 1931 die der HANOMAG (9,45 %). Fast wäre die Geschichte der jetzt als größter Lokomotivhersteller Europas geltenden Firma zu Ende gewesen, denn durch die wirtschaftliche Krise war schon die Schließung des Werkes zum Ende des selben Jahres angekündigt worden.
Diese konnte jedoch abgewendet werden und die Produktionszahlen steigerten sich in den folgenden Jahren wieder.
Ab 1925 wurden auch Automobile gebaut. Im Januar 1925 begann Henschel & Sohn auch mit dem Bau von Lastkraftwagen und Omnibussen, zunächst auf Basis einer Lizenz von FBW (CH) 3- und 5-Tonner (ca. 300 Fahrzeuge). In den darauffolgenden Jahren entwickelte Henschel eigene LKW und eigene Motoren. 1928 wurde der Henschel-Lanova-Dieselmotor entwickelt. Anfang der 1930er Jahre waren Wagen von 2 bis 12 Tonnen Nutzlast im Angebot.
Bereits im Ersten Weltkrieg stellte Henschel Rüstungsgüter her. Die Henschel-Werke waren während des zweiten Weltkrieges einer der bedeutendsten deutschen Rüstungsproduzenten (z.B. Panzer: Tiger, Königstiger) und damit auch ein wichtiges Ziel von Bombenangriffen. Die Werke wurden fast vollständig zerstört
Erst 1948 werden wieder Lokomotiven gebaut, 1961 übernimmt Henschel teilweise die Diesellokfertigung der Maschinenfabrik in Esslingen, ab 1962 ist Henschel eine Aktiengesellschaft.
1964 übernehmen die Rheinischen Stahlwerke die Aktien der Henschel AG, fortan firmiert man unter der Bezeichnung "Rheinstahl Henschel AG". 1969 wird der Diesellokbau der Klöckner-Humboldt-Deutz AG in Köln-Deutz übernommen. Die Rheinstahl AG selbst geht 1976 in die August Thyssen-Hütte AG ein, nun nennt sich das Werk in Kassel "Thyssen Henschel".
1975 Entwicklung, Inbetriebnahme und Erprobung einer ersten Funktionsanlage für Langstator-Magnetfahrtechnik mit der Versuchsplattform HMB 1 bei Thyssen Henschel in Kassel.
Zusammen mit ABB (ehemals BBC, Mannheim) wird 1990 die "ABB Henschel AG" mit Sitz in Mannheim gegründet. In Folge der wirtschaftlich bedingten Konzentrationsbestrebungen vereinbaren ABB und die deutsche Daimler-Benz AG 1995 den weltweiten Zusammenschluß ihrer Bereiche "Verkehrstechnik" unter der Bezeichnung ABB Daimler Benz Transportation Adtranz.
Damit verschwand am 1. Januar 1996 der Name Henschel endgültig als Lokhersteller.
Gesamthochschule Kassel
Der GHK-Standort Holländischer Platz im Stadtteil Nord liegt auf dem Gelände der im 2. Weltkrieg zerstörten Fa. Henschel.
Die "Henschelei" wurde 1974 vom Land Hessen gekauft. Die meisten der zerstörten Fabrikgebäude wurden abgerissen, nur wenige Teile konnten erhalten werden.
Die GHK wurde 1971 als jüngste Hessische Universität gegründet und war von Anfang an eine Reformuniversität. Sie verbindet Hochschule, Fachhochschule und Pädagogische Hochschule unter einem Dach. Theorie und Praxis werden in "Intergrierten Studiengängen" vereinigt.
Die GHK hat ca. 15000 Studenten/-innen und ca. 2000 Beschäftigte. Es gibt interdisziplinäre Forschungsgebiete wie Frauenforschung, Nationalsozialismus, Alternative Energien. Sie bietet die Studiengänge Maschinenbau-, Bauingenieur, Architektur, Elektrotechnik, klassische Naturwissenschaften, Landwirtschaft, Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Stadt- und Landschaftsplanung an.